Ganztags zum „Könner“-Status: Gemeinschaftsschule Hemsbach
Quelle: Den ganzen Artikel von Stefan Lücke finden Sie hier: https://www.ganztagsschulen.org/de/ganztagsschule-vor-ort/schulportraets/ganztags-koenner-gemeinschaftsschule-hemsbach.html Datum des Zugriffs: 16.06.2024
„Heute noch besser als gestern!“ Das selbstbewusste Motto der Friedrich-Schiller-Gemeinschaftsschule Hemsbach zum 60. Jubiläum meint individualisiertes, selbstständiges Lernen in der gebundenen Ganztagsschule.
So verwundert es nicht, dass die Mitglieder des Schulleitungsteams Torsten Stickel und Luisa Harth auf die Frage, was sie selbst als Pluspunkt ihrer Schule einschätzen, hervorheben: „Wir sind eine lernende Institution, die auch bereit ist, Dinge über Bord zu werfen, die sich als nicht vorteilhaft für unsere Schülerinnen und Schüler herauskristallisieren.“
Dass Flexibilität und Kreativität sowie die Bereitschaft, zuzugreifen, wenn sich Gutes bietet, den Schulalltag prägen, hat sich schon am Morgen unseres Besuches gezeigt, als Schulleiterin Christin Hoffmann den Termin kurzfristig nicht wahrnehmen kann. „Kein Problem, wir finden schon eine Lösung“, verspricht Schulsekretärin Katrin Sananikone. Wenige Minuten später stehen Torsten Stickel und Luisa Harth zum Austausch bereit.
Eine „Azubi-Headhunterin“
Ein Beispiel für den „guten Griff“ ist auch Uschi Knieling. Seit die Friedrich-Schiller-Schule von deren Faible für die Natur, speziell für den Kartoffelanbau erfuhr, bereichert die Kartoffel-AG das umfangreiche Angebot an Arbeitsgemeinschaften im rhythmisierten Schul(Ganz)tag. „Die Schülerinnen und Schüler sind immer wieder fasziniert, was aus einer Knolle werden kann, was man damit alles machen kann, welche Pflege Kartoffeln benötigen. Es bereitet ihnen Freude“, sagt Uschi Knieling.
Ihr Angebot ist nun Bestandteil der intensiven Berufsorientierung und -vorbereitung, die der Schule am Herzen liegt. Praktika ab Klasse 7, eine intensive Kooperation mit der Regionalen Jugendagentur „Job Central“, örtlichen Betrieben und der Arbeitsagentur sowie Informationsabende mit Beruflichen Gymnasien und Berufsschulen, aber auch das beständige Bemühen, neue Praktikumsplätze bei regionalen Unternehmen und Betrieben zu akquirieren, runden die Vorbereitung auf die Zeit nach der Schule ab.
Inklusive MINT-Schule
Der stellvertretende Schulleiter Torsten Stickel betont: „Dabei agieren wir stets mit Blick auf die Einzelnen, ihre Stärken und Schwächen.“ Luisa Harth ist überzeugt, dass das individualisierte Lernen und überhaupt „die Individualisierung in allen Bereichen“ ein Grund dafür ist, dass die Friedrich-Schiller-Gemeinschaftsschule in diesem Jahr zu den 20 für den Deutschen Schulpreis ausgewählten Schulen gehört.
Und so sind auch die „Aufgabenpakete“ für die Schülerinnen und Schüler zusammengestellt, denen sie sich in der freien Lernzeit widmen. Ob sie das zu zweit oder im größeren Team, im Klassenraum, an einem Arbeitsplatz im Schulgebäude, sitzend oder gemütlich liegend erledigen, bleibt ihnen überlassen. Unterstützung erhalten sie dabei von den sie begleitenden Lehrkräften, aber auch von Mitschülerinnen und -schülern. Die Themen legen die Fachlehrerinnen und Fachlehrer gemeinsam vor Beginn des Schuljahres fest.
Auf dem Weg zum „Könner“-Status
Die Kinder und Jugendlichen werden ab Klasse fünf gezielt und wöchentlich „gefördert und gefordert“, wie Torsten Stickel sagt. „Insbesondere in Mathe, Deutsch und Englisch möchten wir alle aus ihrer Komfortzone holen.“ Will heißen: Alle müssen sich dort mit Anforderungen auseinandersetzen, die eigentlich der nächsthöheren Schulform zugeordnet ist. „Fördern und fordern meint, die Schülerinnen und Schüler etwas zu pushen, um Lücken zu schließen, und sie zugleich herauszufordern“, ergänzt Luisa Harth.
Auch im Unterricht haben die Lernenden möglichst große Eigenständigkeit. Wer sich als „Könner“ zeigt und in der Lage ist, selbstständig und konzentriert für sich zu arbeiten, darf sich frei im Haus bewegen und kehrt später wieder in seine Klasse zurück. Viele derer, die per Unterschrift von drei Lehrkräften den Könner-Status bestätigt bekommen haben, nutzen dafür das Lernatelier. „Das erfordert, dass wir die Schülerinnen und Schüler schrittweise an diese Möglichkeit heranführen. Und es setzt transparente und klare Absprache über das Prozedere voraus“, erläutert der stellvertretende Schulleiter.
Realistische Selbsteinschätzung lernen
In regelmäßigen Gesprächen mit den Schülerinnen und Schülern, auch im Beisein der Eltern, werden die Ziele für jede und jeden Einzelnen und die Schritte dorthin abgesteckt. Regelmäßig wird der Ist-Zustand – in der eigenen Wahrnehmung und jener der Lehrkräfte – bilanziert, um gegebenenfalls die Ziele und Schritte neu zu justieren. „Die Einschätzungen differieren gar nicht so extrem“, berichtet Torsten Stickel, was für ihn auch ein Resultat des guten Austausches und der frühzeitigen Befähigung der Lernenden, das eigene Lernen realistisch zu beurteilen, ist.
Den Ganztag betrachtet die Friedrich-Schiller-Gemeinschaftsschule, die seit diesem Jahr mit einer Gruppe in den bilingualen Unterricht in Geografie und Geschichte eingestiegen ist, als weitaus mehr als ein „Füllen des Tages mit netten Angeboten“. Er dient vielmehr zur Rhythmisierung, auch zum Wechsel zwischen besonders lernintensiven Fächern, Bewegungsangeboten oder Musik.
Gebundener Ganztag mit „Nachmittagsprojekten“
An jedem Mittwoch runden „Nachmittagsprojekte“, oft in Kooperation mit lokalen Vereinen, den Ganztagesbetrieb ab, für die Klassen 5 bis 7 etwa das Biotop-Projekt, das Experimentier-Projekt, ein von einer Lehrkraft organisiertes Theater- sowie das Imker-Projekt. Musiklehrer Jo Ossa leitet die Schulband „CrashKids“. Für die Klassenstufen 8 bis 10 gibt es am Mittwochnachmittag eine „Studierzeit“, in der Lehrkräfte der Fachbereiche Deutsch, Mathe, Französisch und Englisch mit Rat und Tat zur Seite stehen.
„Heute noch besser als gestern“
Die Wissensfabrik entwickelt Unterrichtseinheiten und maßgeschneiderte Inhalte für die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler, in denen sie zugleich als die künftigen potenziellen Fachkräfte angesprochen werden, wie im Projekt „IT2School“ für Schülerinnen und Schüler der 7. Klassen oder im Projekt „Kinder entdecken Technik – KiTec Digital“ für die 6. Klassen. Die MINT-Aktivitäten werden auch durch die Mitgliedschaft im Lernkreislauf MINTensiv der Klaus-Tschira-Stiftung unterstützt. Und das sind nur einige der vielen Kooperationspartner, bei denen die Friedrich-Schiller-Gemeinschaftsschule schon erfolgreich „zugegriffen“ hat
Wie an das Entwicklungspotenzial der Schülerinnen und Schüler glaubt die Friedrich-Schiller-Gemeinschaftsschule an das der gesamten Schulgemeinschaft. Das geschieht im Bewusstsein und mit der Bereitschaft, sich als Schule weiterzuentwickeln. „Denn“, wie Torsten Stickel sagt, „wir hinterfragen uns immer, ob das, was wir anbieten, gut genug ist.“